Meine Geschichte beginnt ca. 2002: Mit damals 21 Jahren fühlte ich mich endlich auch wirklich volljährig. (Klingt, als wäre ich jetzt viel älter – aber nein: Ich fühle mich und bin ganz sicher noch 26 Jahre jung.) Mein Musikgeschmack war mittlerweile sehr gefestigt. Über Blind Guardian, Nightwish, ASP, Subway to Sally und In Extremo kam ich schließlich auch zu Schandmaul. Alle genannten Bands erzählen für mich gute Geschichten in ihren Liedern.
Schandmaul war dabei jedoch immer ein Stück näher an meinem Leben. Ob am Anfang Teufelsweib, Sichelmond, Die goldene Kette, Sonnenstrahl, Vogelfrei oder Herren der Winde – ihre Lieder passten für mich stets zu bestimmten Lebenssituationen. Dein Anblick lief zum Beispiel, als ich 2007 meine Frau kennengelernt habe. Bunt statt Braun entsprach schon immer meiner Grundeinstellung. Euch zum Geleit, Leb… – zu jedem Lied könnte ich bis heute etwas erzählen.
Live habe ich Schandmaul leider erst 2014 gesehen – nachts als letzte Band in Wacken. Ich habe es sehr genossen. So spät zu spielen, wenn viele schon packen oder heimfahren, ist sicher kein dankbarer Slot – aber für mich war es ein echtes Highlight.
Nur 16 Tage später kam meine Tochter Mira zur Welt. Und ab da – wie man so schön sagt – dreht sich die Welt etwas anders. Alles wird noch ein wenig schöner.
Ich war danach zwar noch zwei Mal in Wacken, unter anderem 2019 nach der Geburt von Lilly. Doch dann entschied Mira, dass ich nie wieder alleine auf ein Konzert fahren dürfte – es sei denn, sie dürfe mitkommen. Was Kinder (und Ehefrauen) sagen, wird eben irgendwann Gesetz. Und auch als großer Livemusik-Fan konnte ich da wenig entgegensetzen.
2023 sollte dann beim Folkfield, gar nicht so weit weg von uns, meine Lieblingsband ihr 25-jähriges Bestehen feiern – und das an zwei Tagen! Ich gebe zu: Ich hatte gehofft, dass jemand zu mir sagt „Fahr doch hin!“ – besonders, nachdem ich das Jubiläum in der Lanxess-Arena, quasi um die Ecke, schon verpasst hatte. Aber nein, keine Reaktion, nicht mal auf kleine Hinweise…
Die Nachricht über Thomas‘ Gesundheitszustand und die Verschiebung des Festivals hat mich sehr mitgenommen. Mira kannte mittlerweile natürlich viele Lieder – und mochte sie zu meinem Glück auch. Ich habe meinen Musikstil nie forciert, jeder darf hören, was er mag – natürlich auch meine Kinder. (Außer bei Helene Fischer – da antwortet Alexa rein zufällig: „Wasch dir sofort den Mund mit Seife aus.“)
Da ich großer Musikfan bin, bekommen die Kinder natürlich mit, was bei uns so läuft. Kurz vor dem verschobenen Jubiläum 25+1 habe ich das Ganze dann als Geburtstagswunsch formuliert. Durch Zufall konnte ich über eine Anzeige noch zwei Karten ergattern. Ich hoffte, wenigstens mit meiner Frau einen Tag dort verbringen zu können. Die Kinder wollten uns aber natürlich nicht alleine fahren lassen. Also fragte ich Mira, ob sie sich vorstellen könne, mit mir hinzufahren. Sie wollte gerne mit – „aber nur, wenn wir ganz weit hinten stehen“.
Ich mag Gedränge auch nicht, erste Reihe ist nichts für mich. Aber ganz hinten… Nun, mit 26 + x sehe ich ja auch nicht mehr so gut.
Ich hielt also – ohne große Hoffnung – nach VIP-Karten Ausschau. Die Preise waren hoch, und ich hatte ja eigentlich schon Karten. Kein Lottogewinn, kein üppiges Gehalt – es war keine einfache Entscheidung. Doch dann nahm ich Kontakt zu jemandem (ich glaube, aus der Nähe von Unna) auf. Sie kam mir beim Preis etwas entgegen, und wir trafen uns netterweise in Gelsenkirchen zur Übergabe.
Auf dem Weg dorthin sah ich mich innerlich schon nach einer Stunde wieder nach Hause fahren – ich konnte nicht abschätzen, ob Mira das Ganze überhaupt ansatzweise gut finden würde. Doch wir kamen pünktlich zu Fiddler’s Green – Stimmung pur, sehr sympathisch. Mira war überwältigt von den ersten Eindrücken. Den VIP-Bereich hatten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht gefunden. In der Umbaupause gingen wir über den Mittelaltermarkt, aßen etwas und fragten beim Ordner nach dem Weg. So fanden wir uns schließlich zu Subway to Sally im VIP-Bereich wieder.
Wir wussten nicht, dass es dort offenbar auch Getränke umsonst gab – für uns war das nicht ausschlaggebend. Ich wäre auch wenn ich nicht fahren hätte müssen, mit einem Bier und guter Musik sehr zufrieden gewesen. Aber über ein Wasser für Mira und eine Cola für mich haben wir uns gefreut.
Subway to Sally gefiel Mira live ebenfalls sehr gut. Die nächste Pause vor Schandmaul verbrachten wir beim Merchandise. Und dann kam unser gemeinsames Highlight: das Schandmaul-Konzert. Bewegend, mitreißend – einfach ein tolles Erlebnis für Vater und Tochter. Mira war völlig begeistert. Auf der Rückfahrt erzählte sie von jedem einzelnen Lied, von Thomas’ Ansprache, wie beeindruckt sie von Georgi und Martin war das sie eingesprungen sind… Zuhause konnte sie vor Erschöpfung kaum noch die Schuhe ausziehen. Nichts ging mehr…
Am nächsten Tag sollte ich eigentlich alleine wieder nach Gelsenkirchen fahren, denn Mira war zu einem Geburtstag eingeladen – und ich hatte leider niemanden gefunden, der mitwollte. Doch es kam anders: Mira wollte um jeden Preis wieder mit.
Natürlich konnte ich ihr diesen Wunsch nicht abschlagen – und ich war ehrlich gesagt auch stolz, dass sie unbedingt nochmal mit mir hinwollte. Also fuhren wir später los, damit sie wenigstens eine Stunde auf dem Geburtstag ihrer Freundin verbringen konnte.
Am Parkplatz zog ich meine Kutte an – immer noch ansehnlich, aber scheinbar im Schrank geschrumpft (sie war nie im Trockner). Also zog Mira sie an – ein toller Anblick für mich.
Pünktlich zu Versengold waren wir wieder auf dem Gelände. Kurz vor Schandmaul holten wir uns erneut ein Wasser und eine Cola. Die Dame an der Ausgabe meinte, sie hätte uns noch nicht gesehen, und reichte Mira ein Handtuch und eine Autogrammkarte. Mira war überglücklich.
Das Konzert haben wir beide wieder sehr genossen. Es war ein ganz besonderes Wochenende für uns. Tage später wünschte sich Mira unbedingt eine Jeansjacke – die Mama natürlich zeitnah besorgte. Und sofort schnappte sich Mira Nadel und Faden und nähte – wie könnte es anders sein – ihren Schandmaul-Patch auf den Rücken.
Einige Tage danach, ich bin nur unregelmäßig auf Social Media unterwegs, sah ich, dass wir es leider verpasst hatten, die Band im VIP-Bereich persönlich zu treffen. Mira war darüber ein wenig traurig. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mit jemandem gesprochen hätte – aber ihren persönlichen Helden näher zu sein, wäre sicher ein weiterer besonderer Moment gewesen.
Trotzdem: Es war ihr erstes Festival. Und so etwas vergisst man nicht – ich denke: niemals.
Wir haben jedenfalls wieder VIP-Karten fürs kommende Folkfield. Und hoffen nun, dass die Zeit bis dahin schnell vorbei geht.





